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Gen-Zler wachsen mit neuen Selbstverständlichkeiten auf

Die Generation Z, die jüngst ins Berufsleben gestartet ist, bringt – wie jede Generation – eigene Ansprüche und Eigenheiten mit. Das führt oft zu Spannungen zwischen den Generationen in Ausbildung und Beruf. Der hep Verlag hat mit den Autorinnen des Buches «Generation Z. Wie ticken sie? Wie ticke ich?» über diese Dynamik gesprochen.

Können Sie uns etwas über Ihren Hintergrund und Ihre Motivation erzählen, ein Buch über die Generation Z zu schreiben?

Dr. Miriam Engelhardt: Wir geben bei Engelhardt Training seit 2004 Vorträge und Weiterbildungen zum Thema Generationenkompetenz. Oft wünschen sich die Teilnehmenden anschliessend eine Literaturempfehlung. In «Wie tickst Du, wie ticke ich?» ging es um den Mix der Generationen. Jetzt wollen wir eine Vertiefung zur Gen Z und den Umgang mit ihnen bieten.

Anja Trieschmann: Meine Motivation, als Lehrerin eines beruflichen Gymnasiums über diese Generation zu schreiben, ist tiefer zu verstehen. Ich möchte sowohl in der fachlich-didaktischen Vermittlung als auch in Klassen- oder Einzelgesprächen noch besser auf sie reagieren können.

Welche Trends oder Veränderungen in der Gesellschaft haben Ihrer Meinung nach die Identität der Generation Z geprägt?

Nikola Engelhardt: Ein Trend sind die neuen Erziehungsstile. Elternhäuser und Schulbildung sind da nicht so weit voneinander entfernt. Man möchte kein hierarchisches Befehl-Gehorsam-Verhältnis mehr, sondern empfindet sich eher als Coach und möchte die jungen Menschen bezüglich ihrer individuellen Ziele und Bedürfnisse unterstützen. Lerntheoretisch ist das eine begrüssenswerte Sache. Gleichzeit prägt dies die junge Generation. Mit grosser Selbstverständlichkeit stellt sie ihre persönlichen Ziele und Bedürfnisse ins Zentrum und erwartet, dass von den anderen aktiv und unterstützend darauf eingegangen wird. Aber nicht aus Egozentrismus, sondern aus langjähriger Gewohnheit. Vertieft wird das durch das psychologische Phänomen der Übertragung (Freud). Dabei wird der von den Eltern gewohnte coachende Erziehungsstil unbewusst als Erwartung auf Führungspersonen übertragen.

Anja Trieschmann: Die Gen-Zler wachsen mit neuen Selbstverständlichkeiten auf: Wissen muss nicht gewusst werden, sondern ist allgegenwärtig digital abrufbar. Alles, was man braucht, lässt sich kaufen und ist im Überfluss verfügbar. Paradoxerweise droht gleichzeitig die Endlichkeit der Welt, in die sie hineinwachsen wollen und müssen. Kriege, Umweltkatastrophen, Extremismus, instabile Beziehungen und Inflation werden als Bedrohung wahrgenommen und erzeugen Ängste. Psychische, emotionale und gesundheitliche Belastungen sind zunehmend die Folge.

 

Welche Herausforderungen stehen der Generation Z bevor?

Dr. Miriam Engelhardt: Der Aufbau von Sozialkontakten wird immer schwieriger. Gen Z ist gewohnt, selbst unter besten Freunden, dass viel – selbst das Beenden einer Liebesbeziehung – schriftlich über Chats stattfindet. Gen Z hat also wenig Übung, mit spontanen Reaktionen von anderen umzugehen. Da wird es zur grossen Herausforderung, sich zu trauen, auf Menschen zuzugehen oder nur die Dynamiken in Arbeitsteams auszuhalten, wenn Generationen und Charaktere im ganz normalen Arbeitsstress aufeinanderprallen.

Nikola Engelhardt: Die grösste Herausforderung sehen wir darin, mit dem Zuviel zurechtzukommen: dem Zuviel an digitaler Infoflut, Unterhaltung und Social-Media-Kommunikation, an global einsehbaren Konfliktszenarien, an Konsum- und Freizeitangeboten, an Ausbildungs- und Berufsoptionen, an Wahlmöglichkeiten jeglicher Art. Es ist schwierig, sich selbst und die eigene Kompetenz wahrzunehmen sowie eigene Ziele zu entwickeln, während von aussen ein Tsunami der Optionen auf einen einprasselt und nicht zur Ruhe kommen lässt.

 

Basierend auf Ihrer Forschung, welche Empfehlungen würden Sie jungen Menschen der Generation Z geben?

Dr. Miriam Engelhardt: Traut euch, über das, was euch wichtig ist, zu sprechen. Sucht euch Vertrauenspersonen, bittet um Gespräche, übt vielleicht zusammen mit anderen. Den Erwachsenen ist oft gar nicht klar, womit ihr zu kämpfen habt. Ihr müsst es ihnen sagen – sogar mehrmals.

Anja Trieschmann: Übe dich darin, ja zu sagen und dir Mühe zu geben, wenn du etwas erreichen möchtest und nein zu sagen bei Dingen, die dir schaden. Erforsche, wie du leben möchtest: Probiere aus, statt zu lange über eine Wahl zu grübeln. Denke dabei nicht nur an dich – kein Mensch ist eine Insel. Neben dir sind andere, die dich schätzen und brauchen.

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